Wieder einmal. Denn mit Masou meinem Pinto, den ich als 2,5 Jährigen gekauft hatte und ihn mit 7 erst als wirklich fertiges Reitpferd betrachtete, war es ähnlich. Masou allerdings war eines der schwierigsten Pferde vom Verhalten her, was ich bis heute erlebt habe . Hinzu kamen meine 2 Schwangerschaften, die mich ebenfalls die Ausbildung von ihm zum Reitpferd verlangsamten.
Aber zurück zu Waseem. 13 Jahre später, heute. Es fällt Menschen (Spaziergängern z. B.) richtig auf, dass ich stramm gehe, oftmals sehr ausser Atem bin und eben nicht reite. Einige denken wohl, warum tut die sich das denn an? Was auch immer gedacht wird. Ich möchte das Thema hier einmal aufgreifen und darüber schreiben, vielleicht weil ich insgeheim möchte, dass sich jeder, der sich mit seinem Pferd in der Ausbildung befindet, nicht in Stress verfällt und unsicher wird ob der Weg wohl noch der Richtige ist. Auch wenn das Pferd "schon 6" ist.
Die Frage ob Waseem 6 Jahre jung oder alt ist, ist tatsächlich eine Frage die im Raum steht. Die Allgemeinheit sagt, dass ein Pferd mit 6 Jahren normalerweise schon einen Reiter trägt. Die Hilfen bereits vorher gelernt hat und sogar erste Turniererfahrungen hat. Waseem hatte bisher keinen Reiter, nur einmal saß jemand drauf, aber nur kurz. Sonst hatte er eine Kindheit in einer Hengstherde und wurde dann mit 4 Jahren gelegt. Er hatte dann noch ein Jahr in einer Erwachsenenherde und kam dann zu mir. Er hatte eine gute Kinderstube, wuchs in seiner großen Pferdefamilie auf und hat dort alle basics gelernt. Das Hufe heben für uns Menschen und die Halfterführung war kein Thema. Ich war begeistert, als ich erfuhr, dass er so ein Leben genießen durfte. War mir sicher, dass er dadurch ein gutes Selbstbewusstsein mitbringt. Das Urvertrauen war da und die Selbsterfahrung mit anderen Pferden. Ich weiß, dass Pferde ihre Jungspunde ordentlich die Leviten lesen, wenn sie zum Größenwahn neigen und Grenzen überschreiten. Es ist für mich ein gutes Zeichen wenn ein Pferd diese Erfahrungen in den ersten Lebensjahren machen kann. Waseem ist mit seinen 6 Jahren noch ein Teenager, wenn auch in den letzten Zügen. Aber wie bei den Menschen, ist eine Spät- und andere Frühentwickler.
Meine Erfahrung mit Waseem ist die, dass er so eine gute Schule erfahren hat durch die Herde, dass er jetzt bereit ist für ein Menschen. Klar war er an Menschen gewöhnt und verwöhnt worden. Er ist ein sehr Personenbezogenes Pferd und hat gute Erfahrungen mit ihnen machen dürfen. Aber in die tiefe gehen wie Zügelhilfen, Abstand halten, nicht in den Strick beißen, Rechts und Links gehen, an der Straße immer Rechts laufen, stehen bleiben und auch wirklich stehen bleiben, Rückwärts gehen, auf Stimmkommandos hören und Longenarbeit, Doppellonge, wandern, über den Graben springen, querfeldein durch das Gestrüpp des Waldes laufen, vorne weg am Zügel gehen im Gelände. Wenn ich nur ein paar Dinge aufzähle hier. Das kannte er alles noch nicht so wirklich.
Und er ist schon 6? Oh, und dann noch nicht eingeritten?
Meine Erfahrung zeigt, dass Waseem in den 2,5 Monaten hier das o.g. bereits gut beherrscht. An manchen Stellen wie in den Strick beißen, ist noch Luft nach oben und auch bei anderen Themen. Doch das hat oft auch mit einer Übersprungshandlung zu tun und man hat darauf zu achten wann genau ein Pferd das tut und das Training ist darauf abzustimmen.
Ich stelle ebenfalls fest, dass das Wandern mit ihm uns gegenseitiges Vertrauen schenkte. Mittlerweile läuft Waseem am Zügel vorne weg und ich gehe an seiner Seite . Er lernt so die Hilfen in einer interessanten Umgebung. Er wird gefordert und das Selbstbewusstsein wird wieder gestärkt wenn er sich traut vor zu gehen, nicht wie am Strick hinter mir her wie am Anfang. Am Strick hinterher laufen ist ziemlich leicht. Als Jemand an vorderster Front durch das Dorf mit Menschen, Baustellen und Geräuschen in den Ecken zu gehen, ist nochmal eine andere Nummer. Oft sehe ich seinen Blick zu mir werfen, ob ich noch da bin und zur Not vor ihn gehe. Selbstverständlich tu ich das auch, wenn er Angst zeigt und ich das Gefühl habe, dass es ihn mehr fördert wenn ich erstmal wieder den ersten Schritt mache. Dann baut sich Vertrauen auf und Respekt und schafft die so wichtige und schöne Herzensbegegnung. Das nächste Mal versuchte er es dann selbst und so erklimmen wir nun Beide gemeinsam die Leiter nach oben. Wir wechseln uns quasi ab.
Das mit dem Reiten passiert ganz nebenbei. Auch da schaue ich, ob ich aufsteigen kann und erweitere seine Grenzen. Da er sehr brav ist und keine Anstalten macht wegzurennen o.ä. setze ich mich ganz nebenbei im Wald auf seinen Rücken und lasse ihn grasen. So erhält er die nötigen Kräuter in dieser Jahreszeit und kann parallel seinen Stress abbauen in dem er kaut. Denn eins ist klar, Waseem war erstmal verdutzt als ich mich auf seinen Rücken schwang. Er stand einfach da und traute sich kein Meter vor. Ich stieg sofort wieder ab, ohne etwas zu wollen. Streichelte ihn von oben und kraulte ihn am Rücken. So ging es fortan. Auf dem Reitplatz lernt er am Aufstieg stehen zu bleiben. Dann konnte ich aufsteigen und er machte seine ersten Schritte.
Ich habe immer meine Antennen weit offen und atme in meinen Bauch um im Kontakt zu mir zu bleiben. Ich vertraue meiner Intuition zu 100 % und passe den Moment ab wann es geht aufzusteigen und wann nicht. Oftmals kann ich es rational gar nicht erklären. Es ist wie ein unsichtbares Band, was sich durch die Bodenarbeit, besser noch, durch unser tägliches natürliches Miteinander, entwickelt hat. Darauf baue ich auf - Vertrauen - .
So erübrigt sich die Frage für mich ob 6 Jahre jung oder alt ist. Schaut selbst, euer Pferd zeigt es Euch sicher wie weit es bereits aufnehmen kann und was ihn bereits interessiert oder nicht. Wo hört noch die Bereitschaft auf und wo kann ich anstatt anfangen. Ich stelle fest, dass Waseem oft noch viel zu tun hat mit seiner Umwelt und das will auch alles verarbeitet werden. Da habe ich noch nicht viel auf seinem Rücken verloren.