Waseem ist ein Araber und er hat bisher noch keinen Reiter getragen. Also nicht wirklich. Einmal hat mal jemand den Versuch gemacht und er war ganz brav habe ich mir erzählen lassen. Ansonsten durfte er sein Leben in einer Hengstherde mit verschieden alten Pferden verbringen und wurde danach gelegt. Es macht mich glücklich, ein Pferd zu erleben, welches so aufwachsen durfte! Er ist so pur und so unbefleckt. Ich empfinde oft Ehrfurcht vor solch einer Schönheit und Vollkommenheit - Ein Wunder was Natur hervorbringt. Nicht weniger spannend zu erwähnen ist, dass ich mir von Kindesbeinen an, einen Araber gewünscht habe. Ich zeichnete ununterbrochen arabische Pferde. Mit ihrem konkaven Kopf und den großen Nüstern. Verstärkt hat sich mein Traum als ich in Marokko, den wohl schnellsten Galopp meines Lebens geritten bin am Strand von Agadir. Da war ich 9 Jahre alt und der Wunsch war fest verankert. Jetzt ist die Zeit reif und Waseem wurde mir quasi auf einem "Silbertablett serviert". Es passte einfach alles.
Ich möchte hier den Werdegang von Waseem und das Heranführen an das Tragen von mir immer mal festhalten und dokumentieren.
Als Waseem im Juli zu mir kam, habe ich ihn erstmal in der Herde ankommen lassen. Alles neu und aufregend war es. Er hat viel mit sich selbst und seinen Artgenossen zu tun gehabt. Er schaute in die weite Ferne, genoss den Kontakt zu den Nachbarpferden und zeigte sich von seiner sehr männlichen Seite, besonders die Stuten nebenan hatten es ihm angetan. Zwischendurch suchte er seinen Platz in der neuen Herde. Da war viel zu tun für ihn!
Ich war lediglich ein Mensch der gut war zum gelegentlichen andokken und ausruhen, doch mehr war erstmal nicht angesagt.
Ich habe mir Zeit genommen das Pferd genau zu beobachten, ihn kennenlernen in Form von da sein aber nichts wollen. Ich saß oft im Gras oder an der Weide und war einfach nur anwesend. Verrichtete meine Arbeit mit Jarno und meine alltäglichen Aufgaben.
Ich habe mich in seinem Leben erstmal nicht so wichtig genommen.
Ich stellte dabei fest, dass er ein sehr starker Charakter ist. Er hat eine starke Ausstrahlung und ging seinen Weg und holte sich was er wollte (Wasser, Futterplätze, Ruheplätze). Dies geschah in einer klaren Körpersprache. Ich sah, dass er wusste wie man sich zu benehmen hatte und wann es Zeit war sich zurück zu halten und wann genau es wichtig war seinen Platz zu verteidigen.
Außerdem fiel mir auf, dass Waseem mich durchaus nicht uninteressant fand. Er hat gemerkt, dass ich sein neuer Mensch bin und beäugte mich fast permanent, auch oder besonders wenn ich einfach nur da saß. Oft kam er an und fragte mich ob ich ihn kraulen kann oder was ich wohl so mache. Wer war ich überhaupt?
Darum ging es dabei auch. Wir Beide beäugten uns gegenseitig ohne was zu wollen. Das bereitete den Boden vor für das Vertrauen. Für mich die Basis überhaupt anzufangen was zu fragen.
Natürlich wächst das Vertrauen im tun nochmal stark, aber anfangs ist die sogenannte Begegnungsphase wichtig.